Protein: gestiegene Preise – wie viel mehr ist fair?

Im Februar 2022 haben wir von extrem gestiegenen Rohstoffpreisen für Molke und die zum Teil daraus resultierend gestiegenen Preise für Eiweißpulver berichtet. Bereits ab April 2022 begannen die Preise für Molke wieder zu sinken, ab Ende 2022 auch die Preise für daraus produzierte Whey-Rohstoffe. Bei den Verbrauchern kommen diese Preissenkungen oft nicht an. Woran liegt das?

Bild zeigt eine Statistik zur Preisentwicklung

Preisentwicklung angesagter Proteine.

Um greifbar zu machen, wie sich die Preise auf dem Markt in den letzten zwei Jahren entwickelt haben, reicht ein Blick auf die Preisentwicklung einiger angesagter Produkte.

Produkt UVP Preis 07/21 UVP Preis 07/23
1 kg ESN Designer Whey 23,90 € 39,90 € (+ 67 %)
908 g ESN Isoclear 29,90 € 49,90 € (+ 67 %)
1 kg Bodybuilding Depot WPC 80 17,90 € 22,90 € (+ 28 %)
1 kg Bodybuilding Depot WPG-85 29,90 € 39,90 € (+ 33 %)
1 kg Bodybuilding Depot WPI-90 20,90 € 29,90 € (+ 43 %)
1 kg MyProtein Impact Whey 22,49 € 40,99 € (+ 82 %)
500  g MyProtein Clear Whey 25,49 € 29,99 € (+18 %)
1 kg Zec+ Whey Isolat 31,90 € 41,90 € (+ 31 %)
600 g More Nutrition Total Protein 21,95 € 29,95 € (+ 36 %)
1 kg Bodylab Whey Protein 19,99 € 39,99 € (+ 100 %)
2270 g ON Gold Standard Whey 67,90 € 87,99 € (+ 30 %)
1 kg Big Zone Battle Whey 22,90 € 30,90 € (+ 35 %)
1 kg Big Zone Protein Juice 29,90 € 39,90 € (+ 33 %)
500 g Weider Protein 80 Plus 20,99 € 31,99 € (+ 52 %)
750 g Foodspring Whey Protein 29,99 € 34,99 € (+ 17 %)
500 g Bulk Pure Whey Protein 13,99 € 22,99 € (+ 64 %)

Die durchschnittlichen Preiserhöhungen von Eiweißpulver liegen bei etwa 40-50 %. Ausnahmen sind hier Unternehmen wie ESN, MyProtein oder auch Bodylab, die 67 %, und im Falle von Bodylab ganze 100 % auf die UVP einiger ihrer Flaggschiffe geschlagen haben. Das MyProtein Clear Isolat muss mit einer im Vergleich geringen Preiserhöhung der UVP von 18 % unserer Meinung nach nicht positiv herausgehoben werden, da der Kilogrammpreis des Produkts damit bei stolzen 60 € liegt. Es gehört – und gehörte auch damals schon – zu den teuersten Clear Wheys auf dem Markt. Markus Rühl konnte den Preis seines Rühls Bestes Whey Isolat halten und kompensiert höhere Kosten mit 10 % weniger Inhalt in vielen der Verpackungen. Zum Bodybuilding Depot ist hier zu sagen, dass das Unternehmen vor den Preiserhöhungen durchaus Kampfpreise gefahren hat und sich auch jetzt preislich bei Whey Konzentrat- und Isolat im unteren Segment auf dem Markt bewegt.

Wie haben sich dagegen die Preise der Rohstoffe entwickelt?

Die Preise für Molke sind aktuell auf einem Stand von vor Corona. Molke ist für viele der tierischen Eiweißpulver der Ausgangsrohstoff. Beim Whey Konzentrat und Whey Isolat folgten die Rohstoffpreis-Senkungen etwas später. Hier begannen Ende 2022 die Preise drastisch zu sinken und bewegen sich nun ebenfalls etwa auf einem Level von vor Corona. Für ein Kilogramm Whey Konzentrat-Rohstoff bezahlten Hersteller im Juli 2023 durchschnittlich 5-6 €, für ein Kilogramm Whey-Isolat-Rohstoff etwa 7,50-8 €. Clear Whey nimmt sich hier aus, da dieser Isolat-Rohstoff noch aufwändiger filtriert wird. Er ist etwas teurer, als klassischer Isolat-Rohstoff.

Bild zeigt historischen Verlauf der Molke-Preise 2020-2023
Grafik zeigt die Preisentwicklung des Molkerohstoffs 2020-2023 Download / wallstreet:online

Wie viel mehr ist fair?

Nun ist es nicht so, dass die Rohstoffe einfach in eine Dose gefüllt werden und damit schon alles durch die Unternehmen getan wurde, was sie für einen Verkauf der Produkte tun müssen. Einen Onlineshop zu betreiben, ein Produkt zu vermarkten, das Abfüllen, das Lagern, der Standort, die Mitarbeiter – alles kostet Geld und nichts ist in den letzten beiden Jahren günstiger geworden.

So setzen sich die Kosten einer Dose Protein zusammen:

  • Protein-Rohstoff
  • Aromen
  • Verpackung (Dose und Label)
  • Lohnkosten
  • Produktionskosten (Anlagen oder Lohnabfüller)
  • Shop- / Lagerkosten
  • Marketing / Influencer / Affiliates
  • Steuern (i.d.R. 7 % in DE)

Nimmt man die Inflation noch mit in die Rechnung, die gestiegenen Energiepreise, Versandkosten und hohen Anforderungen an Unternehmen, halten wir Preiserhöhungen von 25-45 % durchaus für realistisch und fair, möchte ein Unternehmen weiterhin gesund bestehen, seine Leute gut bezahlen, werben, Qualitätsstandards einhalten und sich auf dem durchaus umkämpften Supplement- und Fitnessmarkt gegen andere Hersteller behaupten. Allerdings spielt hier auch eine große Rolle, wie hoch der ursprüngliche Preis war und wie er sich im Verhältnis zu ähnlichen Produkten verhielt. Einfach ausgedrückt: Wenn ein ohnehin teures Produkt 40 % teurer wurde, ist das etwas anderes, als wenn ein sehr günstiges Produkt 40 % teurer wurde. Preiserhöhungen ab 50 % halten wir bei den aktuellen Rohstoffpreisen prinzipiell für überzogen.

Wir sind kritisch an das Thema herangegangen. Letztlich ist es aber so, dass kein Verkäufer oder Hersteller darauf aus ist, der Teuerste zu sein. Gerade im Onlinehandel tut es keinem Unternehmen gut, teurer als ähnliche Produkte auf dem Markt zu sein. Firmen wie ESN bzw. Fitmart, Bodylab und auch MyProtein nehmen sich da teilweise aus. Sie leben von einer starken Marke und nutzen die unserer Meinung nach erheblich gestiegenen UVP-Preise auch fürs Marketing. Hier werden teils unglaubliche Rabatt-Aktionen von bis zu 50 % gefahren, die kleinere Hersteller mit niedrigeren Preisen einfach nicht fahren können. Das machen diese großen Unternehmen nicht, damit sie nichts mehr verdienen. Viel wahrscheinlicher ist es Kalkül, Kunden zu locken. Hier werden unserer Meinung nach hohe Grundpreise genutzt, einen Puffer für Rabattaktionen zu schaffen, die mit normalen Preisen einfach nicht wirtschaftlich wären.

Im Falle von ESN spielt die merkliche Ausbreitung im Bereich der Influencer ebenfalls eine große Rolle. Die Influencer, die reihenweise langjährige Werbepartner in den Wind schießen, um nun für ESN zu werben, machen das vielleicht auch, weil sie ESN gut finden. In erster Linie tun sie das allerdings wahrscheinlicher fürs Geld. Das Bewerben einer großen Marke bringt einfach mehr Leads, als das bewerben von kleinen Marken. Die Werbepartner wollen alle bezahlt werden. Die würden das mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht tun, wenn die Marke niemand kennen würde und sie über die Werbepartnerschaft drei Dosen Eiweiß im Monat verkaufen könnten. Hat man sich erst eine entsprechende Community aufgebaut, geht es auch nicht mehr nur um Provisionen für verkaufte Produkte, sondern oftmals auch um Festgeld, das jeden Monat fließen muss. All das fließt auch in die Dose Protein ein, die am Ende bei dir im Haushalt landet, durchaus günstiger sein könnte, aber letztlich auch nur ein Produkt geweckter Begehrlichkeit bleibt, denen in erster Linie du hinterher hechtest – denn du kaufst sie.

Unser Tipp an dieser Stelle bleibt: Such dir ein Unternehmen, das fair in seiner Preispolitik ist und mit dem du dich wohl fühlst. Es gibt genug günstige, gute Hersteller und Produkte da draußen. Ein Hexenmeister mit der unglaublich teuren Geheimzutat für eine mutantenartige Muskelexplosion im Shake ist keiner von denen – die machen alle nur Eiweißpulver, das lediglich eine Ergänzung zu einer ausgewogenen, gesunden Ernährung bleiben sollte.

Thema

Unser Anliegen ist es, dir gut recherchierten, selbst erstellten Content zu liefern. Hier schreiben ausschließlich Leute, die sich mit der Szene und den Themen auskennen.

Hinweis: Wir haben am 10. Februar 2022 zum ersten mal über »Protein: gestiegene Preise – wie viel mehr ist fair?« geschrieben und den Artikel zuletzt am 22. Juli 2023 inhaltlich überarbeitet.

Du hast einen Fehler auf Kraftmahl gefunden? Den darfst du nicht behalten! Wir freuen uns über eine Mail an: fehlerhinweis@kraftmahl.de

Findest du die Informationen auf Kraftmahl hilfreich?

Auswahlmöglichkeiten